Persönliche
Notizen einer Exkursion zur Flugunfalluntersuchungsstelle
beim Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie
(BMVIT) in Wien - organisiert durch das Österreichische
Kuratorium für Flugsicherheit (ÖKF).
Etwa
130 Flugunfälle und schwere Störungen in der Allgemeinen
Luftfahrt pro Jahr in Österreich scheinen nicht sehr
viel zu sein, vergleicht man sie mit der Zahl der Unfälle
im Straßenverkehr. Jedem Menschen sind es aber zu viele,
der plötzlich selber davon betroffen ist. Muss man also
überhaupt so weit kommen oder oder gibt es andere Möglichkeiten?
Jeder
Flugunfall erregt nach wie vor reges Medieninteresse und trägt
dazu bei, die Fliegerei in der Öffentlichkeit als ein
recht gefährliches Vergnügen darzustellen. Flugunfälle
geschehen nicht einfach, sondern sie werden verursacht. Das
heißt, sie haben eine Ursache. Diese herauszufinden
ist Angelegenheit der Flugunfall-Untersuchungsstelle beim
Bundesministrium für Verkehr, Innovation und technologie.
Will man das Unfallgeschehen im Flugbetrieb wirksam bekämpfen,
muss man zuerst die Ursache kennen. erst dann kann man effektive
maßnahmen zur Unfallverhütung setzten.
Weitere Infos und Beiteräge des Autors zum Thema Flugsicherheit:
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Die
Klärung der Ursachen von Flugunfällen und die Erstellung
von Vorschlägen zur Vermeidung ähnlicher Vorfälle
stehen bei der Arbeit der Flugunfall-Untersuchungsstelle (FUS)
im Vordergrund. Die Beurteilung von Verschulden, Schuldzuweisung
oder Haftungsfragen sind nicht Zweck der Nachforschungen.
Das ist leider keine einfache Aufgabe. Die FUS ist zwar kein
Erhebungsorgan für die Gerichte, sie ist aber als Verwaltungsorgan
verpflichtet, die entsprechenden Informationen auf Verlangen
dem Staatsanwalt und den Gerichten zur Verfügung zu stellen.
Die Berichte werden daher mit Rücksicht auf die Beteiligten
weitgehend anonym verlautbart und Protokolle als Gedächtnisprotokolle
statt in Niederschriften erfasst.
Wie
wird es gemacht und wer macht es?
Der
Zugang zur Unfallstelle, zu allen Aufzeichnungen, die Durchführung
von Befragungen, Sicherstellungen, die Sicherstellung der
Wracks, Obduktionen, etc. sind rechtlich durch das Flugunfall-Untersuchungsgesetz
gesichert. Üblicherweise werden die Untersuchungen mit
Einbeziehung von Spezialisten aus den Fachgebieten: Flugbetrieb,
Technik, Flugsicherung und Wetter durchgeführt. Soweit
notwendig, können auch Spezialisten aus anderen Fachgebieten
herangezogen werden. Man kann sich leicht vorstellen, dass
auch eine entsprechende erfahrung beim Herausfinden der Unfallursache
derselben eine wichtige Rolle spielt.
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Ein
Bericht der Flugunfall-Untersuchungsstelle Österreich |
Der „Gastgeber“
der Exkursion, Ing. Günther Raicher, Leiter der Flugunfall
- Untersuchungsstelle ist selber aktiver Segel- und Motorflieger
mit IFR, Fluglehrer, Hubschrauberpilot und begeisterter Ballonfahrer.
Seit rund 20 jahren ist er in der Flugunfalluntersuchung tätig.
Beim Betreten der Halle und einen Blick auf die hier gesammelten
Trümmer und Überreste von Segelflugzeugen, Motorflugzeugen
und Hubschraubern wird klar, dass man diesen Beruf auf keiner
Uni lernen kann. Ein immenses Wissen aus verschiedensten Bereichen
der Technik und Wissenschaft, verbunden mit einem detektivischen
Gespür und einer großen Systematik sind oft notwendig,
um die vielfältigen Ursachenverkettungen zu erkennen.
Selbstverständlich können sich die Untersucher auf
die Expertisen anderer Sachverständiger stützen,
soweit dies notwendig ist. Derzeit sind etwa 50 Fachleute
auf der Liste, welche je nach Bedarf zur Untersuchung beigezogen
werden.
FUS
und die Unfallberichte:
-
Die anonymisierte Unfallberichte sind derzeit auf
der Homepage der Bundesanstalt für Verkeh über die Suche im Bereich “Luftfahrt“ zu finden:
VERSA
Die einzelnen älteren Berichte sind dort als PDF-Dateinen
einzusehen.
- Eine Zusammenfassung
diverser Links zum Thema „Flugunfälle/Flugsicherheit“ beim Aviator
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Wenn man
jedoch als Laie vor den Trümmern steht, versucht man
sich hineinzudenken und stellt sich natürlich auch die
Frage nach den Ursachen, ist aber dabei ziemlich ratlos. Erst
wenn auch die Zusammenhänge, die zu dem Unfall geführt
haben, von Ing. Raicher oder seinem Mitarbeiter, Ing. Martin
Veit, erläutert werden, klärt sich so manches. Aus
der Erfahrung eines Unfalluntersuchers darf man nie mit einer
vorgefassten Meinung an eine Unfalluntersuchung herangehen.
Zu leicht kann man einer Vermutung oder einem Vorurteil in
die falsche Richtung folgen.
Was wir untersucht.
Limits der Untersuchungen.
Das Ausmaß
der Untersuchungen stößt auch auf ein klares Limit:
die FUS besteht neben dem Leiter aus zwei weiteren Untersuchungleitern,
mits jeweils zwei weiteren Untersuchern.
Die zweite
Einschränkung bilden die für die Untersuchungsstelle
im Normalfall zur Verfügung stehenden Mittel, welche
sich pro Jahr etwa im Bereich von 73.000 € (1.000.000
öS) bewegen. Bei diesen Zahlen drängt sich der Vergleich
zu den materiellen Schäden, die durch etwa 130 Unfälle
pro Jahr entstehen und dem Budget, das solche Schäden
in der Zukunft minimieren helfen soll, auf.
Die Unfälle
im Bereich von UL´s bzw. Kleinflugzeugen werden nur
vereinzelt bei sehr schweren Folgen untersucht, weil die EU
- Richtlinie bei der Unfalluntersuchung mit Fluggeräten
unter 2000 kg einen Spielraum einräumt. Das untersuchende
Organ kann im jeweiligen Fall selbst entscheiden, ob eine
Untersuchung zielführend ist oder nicht. In der Praxis
können die zur Verfügung stehenden finanziellen
Mittel mitentscheidend sein, ob für eine derartige Untersuchung
überhaupt eine Möglichkeit besteht - obwohl diese
Sparte der Fliegerei gerade in den letzten Jahren eine immer
größer werdende Rolle spielt und einen erheblichen
Anteil an der Gesamtzahl der Unfälle hat.
Lassen
wir kurz sogar die menschliche Aspekte außer Acht. Wenn
man den gesamtwirtschaftlichen Schaden der Unfälle in
Betracht zieht, wir jedem klar, dass ein sinnvoller Weg über
die Vorbeugung oder – anders ausgedrückt –
über die Flugunfallanalyse führt.
Flugunfälle
und schwere Störungen in Österreich:
/2004/
-
ca. 130 im Jahr, davon 30-50 mit ausländischen
Flugzeugen
-
im heurigen Jahr 2004 eine atypische Häufung
von Hubschrauberunfällen
-
ca. 50/50 Teilung zwischen der Gruppe Segelflieger/Motorsegler
und Motorflugzeuge/Hubschrauber
|
Schnelle Antworten auf die Frage über der Ursachen sind
nicht möglich oder sogar irreführend. Auf der anderen
Seite sind die Gerichte und Versicherungen an einer möglichst
schnellen Klärung der Schuldfrage interessiert. Auch
unsere moderne Tagespresse, Fernsehen sind aufgrund des großen
Tempos und Kurzlebigkeit der Nachrichtenwelt nicht imstande
auf die Ergebnisse der oft langen Untersuchungen tage- oder
monatelang zu warten. Wie oft erleben Sie in der Praxis, dass
die Tagespresse nach einem Jahr noch über Ergebnissen
einer Untersuchung berichtet. Hier müssen die Piloten
in ihrem eigenen Interesse selbst Initiative ergreifen.
Die Berichte zu diverser Unfällen sind nach dem Abschluss
der Untersuchung für jedermann öffentlich zugänglich,
auch wenn sie nicht leicht zu finden sind. Die Piloten sollten
jedoch in ihrem eigenen Interesse sebst Initiative ergreifen
und sich die Flugunfallberichte besorgen. Sie erscheinen beim
Lesen auf den ersten Blick sehr trocken, fast steril. Kein
Wunder, sie werden mit der Absicht erstellt die Gesundheit
oder das Leben in der Zukunft zu schützen ohne die Würde
der Betroffenen in Leidenschaft zu ziehen. Wenn Sie diese
Berichte unter diesem Blickwinkel betrachten, werden Sie aus
der Ergebnissen dieser Arbeit am meisten für sich profitieren
können.
„Final
Approach“
Als Kinder mussten
wir uns mindestens einmal die Finger am Herd verbrennen, bevor
wir uns für das Leben lang merkten, dass man heiße
Gegenstände nicht ohne Schutz angreift. Zum Glück
gibt es in der Fliegerei auch andere Wege, um gefahrlos und
mit Freude zu fliegen.
Es geht
nicht darum, Ihnen Angst vor dem Fliegen zu erwecken. Nein.
der Sinn der Sache ist ein umsichtiger Umgang mit der Fliegerei
und die Vorstellung, welche Fehler am meisten gemacht werden,
deren Verkettung oftmals zu einem Unfall führen. Kurzum:
es geht um das Aufspüren der Gefahrenzonen von technischen
und menschlichen Fallen, um niemals als Pilot dort zu gelangen.
Oder wie mein erster Fluglehrer zu sagen pflegte: „Better
safe than sorry...“!
Oder wäre es Ihnen lieber, dass man einmal anhand Ihrer
geschmolzenen Schuhsohlen feststellen muss, ob Sie kurz vor
dem Unfall als fliegender Pilot tätig waren oder als
Mitfliegender?
Zum
Schluss noch ein Dankeswort an den Leiter der Flugunfall-Untersuchungsstelle,
Herrn Ing. Raicher und seinen Mitarbeiter, Herrn Ing. Veit,
sowie an die Organisatoren des ÖKF dieser Exkursion.
Christoph Barszczewski
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"Better
safe than sorry..."
Christoph Barszczewski |
©
und Feedback an Autor: Christoph
Barszczewski
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