Veränderter
Blick
"Es
gibt eine ultimative Erfahrung für Piloten,
bei der man in einer Flugstunde mehr lernen kann als bei
unzähligen Kaffee-Rundflügen", lautet das
Resumee von "aviator" Chris Barszczewski, nachdem
er erstmals Präzisions- und Navigationsfliegen versucht
hatte.
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Ankunft
in Timmerdorf - zum Lehrgang über Navigationswettbewerb |
Wer flog
nicht schon mehrmals mit Familie oder Freunden zu den nahe
gelegenen Flugplätzen. Aber nach dem fünftenmal
Cevapcicci in Punitz oder dem zehnten Kaffee in Krems oder
am Spitzerberg macht das Abenteuer bald Pause.
Viele, wie auch ich, suchen es dann beim Fliegen in der Ferne,
sei es in den Rocky Mountains in den USA oder im Busch des
südlichen Afrika. Leider sind solche Trips für
die meisten von uns nicht die Regel.
Doch es gibt eine ultimative Erfahrung für Piloten,
bei der man nahe zuhause fliegen kann und in einer Stunde
mehr Erfahrungen sammeln kann als bei unzähligen Rundflügen.
Und genau dazu, nämlich einer Einführung ins Präzisions-
und Navigationsfliegen auf Wettbewerbsebene, lud Paul Szameitat,
erfahrener österreichischer Wettbewerbspilot, interessierte
Piloten im April nach Timmersdorf ein.
Gespannt flog also ich in meiner Lieblings-"Citabria" von
Vöslau nach Timmersdorf, im Cockpit hinter mir Rudolf,
mit dem ich eine bedingungslose Liebe zu Spornradmaschinen
teile. Obwohl er als Berufspilot im Alltag hinter dem Steuer
einer Boeing 737 fliegerische Präzision und Navigation
zweifellos gewohnt ist, freute auch er sich auf die neue
Erfahrung.
Mehr als 20 Piloten waren dem Ruf gefolgt und erhielten
nicht nur eine spannende und lebendige theoretische Einführung
in den Wettbewerbsflug, sondern auch die Möglichkeit
zu praktischen Übungen.
Das Wetter war nahezu perfekt und nachdem alle angekündigte
Teilnehmer bis 16:00 Uhr am Flugplatz eingetroffen waren,
hatte Paul die schwierige Aufgabe, diese von dem für
Freitag Nachmittag typischem Gedankenaustausch unter Piloten
abzubringen und trotz des wunderbaren Wetters in einen Seminarraum
in der Flugplatzstube "einzusperren". Doch schon
nach ersten Minuten seiner Erzählung hörten
alle wie gebannt zu.
Paul Szameitat begann 1990 mit der Wettbewerbsfliegerei "mit
einem Sprung ins kalte Wasser". Deshalb versucht er
seit einiger Zeit "Greenhorns" wie uns den
Einstieg zu erleichtern.
So lernte ich, dass es sich eigentlich um zwei ähnliche
und doch verschiedene Arten von Flugwettbewerbe handelt:
Präzisionsflug und Navigationsflug. Genauere Schilderungen
findet man auf www.aeroclub.at . Im Prinzip geht es um eine
möglichst genaue Berechnung einer erst im letzten Moment
bekannt gegebenen Route und zwar ohne der elektronischen
Hilfsmittel. Die einzelnen "Legs" werden durch
vorgegebene Wendepunkte definiert und man muss die gesamte
Flugplanung sehr detailliert und sekundengenau ausarbeiten
und auf eine spezielle Wettbewerbskarte eintragen.
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Ziellandewettbewerb
- Übung |
Im Präzisionsflug startet man international als Einmann-Besatzung
(in Österreich sind als Ausnahme zwei Piloten in einem
Flugzeug zugelassen). Beim Navigationswettbewerb hingegen
sind zwei Piloten im Cockpit verpflichtend. Die Vorbereitung
zum Präzisionswettbewerb lässt etwas mehr
Zeit, beim Navigationswettbewerb jedoch bekommt man
ein Kuvert mit der Aufgabenbeschreibung erst kurz
vor dem Start ins Cockpit geliefert und kann so erst
im Flug mit der Detailplanung beginnen.
Die beiden Wettbewerbsarten haben jedoch eines gemeinsam.
Sie stellen für jeden Piloten eine neue Herausforderung
dar: exaktes Fliegen ohne elektronische Hilfsmittel. Dadurch
werden auch bei kurzen Flügen die fliegerische Kenntnisse
und Fähigkeiten verbessert und damit das Training von
exaktem und sekundengenauen Navigieren ermöglicht.
Die genauere Schilderungen der Aufgaben während des
Vortrags lösten bei mir zuerst eine eindeutige Reaktion
aus: "unmöglich!" Eine exaktes und sekundengenaues
Fliegen auf einer mit klassischen Navigation ermittelten
Strecke mit einer Kurs-Abweichung von maximal 0,5 nautischen
Meile? Dabei soll man die vordefinierten und den Teilnehmern
nur zum Teil bekannten Zeitmessungspunkte möglichst
exakt in der vorher mit der klassischen Navigationsmethoden
ausgerechneten Zeit bei einer Toleranz plusminus zwei Sekunden überfliegen. "Wirklich
unmöglich", dachte ich. Die Erfahrung des nächsten
Tages sollten jedoch meine Vorstellungswelt erweitern.
Die Erfordernisse für die Teilnahme an einem Flugwettbewerb
sind nach Meinung des Profis: Grundsätzlich Interesse
an der neuen Horizonten, positive Einstellung, Gefallen am
Wettbewerbssituation finden, manchmal sich selbst überlisten,
ein Partner mit gleicher Erfahrung und Vertrautheit mit dem
Flugzeug, das man im Wettbewerb fliegt. Weiters Kenntnisse
der Wettbewerbsregeln, genaues Studieren der einzelnen Ausschreibungen
und gewisse Ausstattung wie Rechenscheibe, Kursdreieck, Stoppuhr
mit Digitalanzeige, Berechnungsblätter und Blätter
für die Aufteilung der Distanzen pro Flugminute. Ich
würde noch den wichtigen Faktor abfügen:
die entsprechende Zeit - man soll etwa vier Wettbewerbe
pro Saison fliegen - zu haben.
Beim Präzisionsflug wird für die Berechnung ein
Wettbewerbswind vorgegeben. Ob sich der tatsächliche
Wind daran hält ist natürlich noch andere Sache.
Man muss selber für den Wettbewerb eine wahre Fluggeschwindigkeit
(TAS) bestimmen, mit der man dann die ganze Wettbewerbsstrecke
fliegen soll. Sie soll mindestens 70 Knoten betragen und
ist nach oben um jeweils 5 Knoten gestuft. Allein diese Frage
beschäftigte mich, Rudolf und noch zahlreiche
Kollegen bereits bei der gemeinsamen Abendrunde im
Gasthof.
Auch die alten Hasen hatten keine Ahnung, welche
Geschwindigkeit man für eine "Citabria" im Wettbewerb am besten
wählt. Die langsamere Geschwindigkeit ergibt den Vorteil,
dass man im Flug mehr Zeit für die Beobachtungen hat.
Es gibt auch sehr viel zu beobachten und finden: Kurs verfolgen,
Wendepunkte identifizieren, verschiedene ausgelegte Bodenzeichen
finden und auf der Karte korrekt eintragen, Objekte auf mit
der Aufgabe mitgelieferten Fotos während des
Fluges zu identifizieren und auch in die Karte eintragen.
Mit geringerer Geschwindigkeit wird auch der Einfluss
des Windes relativ größer. Eine von vornherein hoch
gewählte Fluggeschwindigkeit reduziert zwar den Windeinfluss,
schmälert aber auch die eventuelle Geschwindigkeitsreserve,
wenn man aus irgendwelchem Grund doch schneller fliegen muss,
um Zeit aufzuholen. Also keine leichte Wahl. Wir entschieden
uns mit der "Cita" für 70 Knoten.
Weiters bekommt man als Ausgang für die Routenberechnung
eine bis auf zehntel Meile exakt angegebene Streckenlänge
der einzelnen "Legs" und den rechtweisenden Kurs
(RWK). Gefragt sind der rechtweisender Steuerkurs (RWSK),
Ground Speed (GS) und die Flugzeit, wobei die Toleranz bei
dem Steuerkurs etwa plusminus 1° und bei Flugdauer plusminus
5 Sek. beträgt.
Paul lieferte uns noch zusätzlich praktische
Tipps und Warnungen vor Fehlern in der Hitze des
Gefechts, wie etwa dem Anschnallen der Gurte vor
dem Start.
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Ziellandungen
-auch wir sind dabei und versuchen unseren Glück |
Vollgestopft mit Theorie eilten wir zu den angekündigten
Ziellandeübungen.
Auf der Landebahn wurde für uns ein Ziellandefeld eingerichtet
und wir durften uns austoben. Kurzen und präzise Landungen
sind mir durchaus bekannt, jedoch ohne Hilfe von Gas und
Klappen auf einem Punkt mit der Toleranz fünf
Meter aufzusetzen stellt eine ganz andere Aufgabe
dar...
Das war im Jahr 2006. Auch im Jahr 2007 gibt es den Einführungslehgang für Interessierten, wieder in Timmersdorf. Termine und Anmeldeformular sind im Aviators Veranstaltungskalender zu finden.
©
Autor: Christoph
Barszczewski
- www.aviator.at, Sitemap
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