Dritter
Tag - ich beginne zu begreifen, worum es geht und habe dabei vollen
Spaß: der Slip
Die Dreipunktlandungen
funktionieren inzwischen schon ganz gut. Auch wenn ich immer wieder
versuche, absichtlich etwas nicht ganz perfekt zu machen, gelingt
es mir doch jedes Mal, die Landung mit dem gelernten "Recovery"-Manöver
elegant zu "retten". Inzwischen bekomme ich neue Aufgaben.
Die Ausgangssituation ist folgendermaßen: ich bin mit der
richtigen Geschwindigkeit sehr nahe an der Schwelle, dafür
aber mit ca. 1000 Fuß noch viel zu hoch. Mein Flugzeug hat
keine Klappen und keine Luftbremsen. Die Aufgabe lautet: wie soll
ich jetzt landen?
Derek zeigt mir, wie fantastisch und effizient das Slippen in
diesem Flugzeug funktioniert. So wird es gemacht: falls notwendig
Gas reduzieren, Flugrichtung und Horizontlage merken, mit einem
ausgeprägten Querruderausschlag eine Fläche - im Landeanflug
am besten die luvseitige - zum Hängen bringen, danach das
Seitenruder betätigen, aber umgekehrt wie in einer koordinierten
Kurve, damit der Schiebezustand erhalten bleibt und mit dem Höhenruder
die Fahrtgeschwindigkeit dosieren. Wichtig dabei ist, weder die
Strömungsabrissgeschwindigkeit zu unterschreiten noch zuzulassen,
dass das Flugzeug über die hängende Fläche die
Fahrt aufholt.
Das ist ein sehr stabiler und sicherer Flugzustand, solange man
nicht die Abrissgeschwindigkeit unterschreitet. Zu beachten ist,
dass man sich in diesem Zustand nicht auf den Fahrtmesser verlassen
kann. Weil das Staurohr schräg angeblasen wird, zeigt er
eine absolut falsche Geschwindigkeit. Daher sind die Beobachtung
und Korrekturen der Lage mit dem Höhenruder gegenüber
dem Horizont notwendig. Im Champion selbst kann man auch zusätzlich
nach den Geräuschen feststellen, wann man knapp an der kritischen
Geschwindigkeit angelangt ist. Im Slip steuert man die Flugrichtung
mit dem Seitenruder, die Geschwindigkeit mit dem Höhenruder
und die Sinkgeschwindigkeit in einem gewissenen Bereich mit dem
Querruder.
Es
ist das erste Mal unglaublich, aber wahr: 1000 Fuß pro Minute
mit dem Champion im Slip sind nicht nur wahr, sie wirken auch
entsprechend auf den Piloten!
Für weitere Übungen wechseln wir auf eine kleine Landebahn
in "Falcon Field". Der Flugplatz ist kleiner, dafür
gibt es dort aber wahnsinnig viel Verkehr. In einem Moment sind
wir gleichzeitig zu viert in der Platzrunde der Piste 22R, dazu
kommen noch zwei in der Platzrunde 22L und zusätzlich noch
ein paar Hubschrauber. Kein Wunder! Wie ich später in einem
Interview mit Beamer erfahren habe, einem netten Fluglotsen, der
auf dem Tower seine Dienste verrichtet, verzeichen sie hier ca.
300.000 Luftbewegungen pro Jahr und zwar fast alles nur solche
der "Allgemeinen Luftfahrt". Zum Vergleich: wenn ich
mir richtig erinnere, liegt die Anzahl der Luftfahrtbewegungen
in Wien Schwechat bei ca. 140-150.000 pro Jahr.
Derek hilft mir am Radio, damit ich mich aufs Fliegen konzentrieren
kann. Um etwa 6Uhr30 kommt mein Liebling: der Seitenwind. Er wird
von Minute zu Minute stärker, ist aber zum Glück eher
gleichmäßig oder besser gesagt laminar. Nach einer
Stunde konzentrierter Landeübungen kommt auch die Müdigkeit
und der letzte Anflug für heute: ich bin perfekt auf der
Längsachse der Piste, korrigiere aber intuitiv mit immer
größer werdendem Ausschlag des Querruders.
In einem
Moment habe ich den Eindruck, dass ich bereits mit mindestens
30 Grad Neigung auf einem Flügel hänge. Wegen des dichten
Verkehrs sind wir beide sehr konzentriert. Mein Instruktor, der
noch mit der Kommunikation beschäftigt ist, merkt nicht gleich,
dass der Wind in kürzester Zeit sehr stark zugenommen hat.
Nachdem er mit einem Augenwinkel registriert hat, dass ich stark
hänge, versucht er die Lage zu korrigieren und wir verlassen
die Mittellinie der Piste wie aus einer Steinschleuder geschossen.
Derek korrigiert sofort zurück zu meiner ursprünglichen
Lage mit einem knappen "Oh, you´re right!" und
somit landen wir bestens bei einem Seitenwind von genau 90°
und ca. 12 Knoten, also kanpp an der offiziellen Grenze der Möglichkeiten
für den Champ. Ich bin sehr stolz auf mich wegen der gelungenen
Landung unter diesen Umständen. Vielleicht auch zu stolz,
wie sich am nächsten Tag herausstellen wird.
Vierter
Tag - Zeit für das "wheel landing"
In den Strahlen
der aufgehenden Sonne rollen wir wieder auf die Startbahn am Falcon
Field. Nach ein paar Landungen zum Aufwärmen gehen wir zu
einer neuen Landetechnik über: landen am Hauptradwerk, "wheel
landing" genannt.
Diese Landetechnik wird in Europa selten praktiziert. Vielleicht
liegt es daran, dass sie besonders für Landungen auf langen
und harten Pisten mit starkem Seitenwind geeignet ist. Auf jeden
Fall steht sie im Ausbildungsprogramm für das "Endorsement".
Mein großes Selbstbewusstsein von gestern wird bei dem ersten
Versuch binnen drei oder vielleicht fünf Sekunden drastisch
reduziert. Eine zu große Sinkgeschwindigkeit führt
zu einer etwas härteren Landung, aber das ist für das
leichte Flugzeug genug, um geschwind wie eine Feder von der Landebahn
abzuheben. Mein Versuch, diese "wheel landung" zu retten,
führt zu den befürchteten, selbstverstärkenden
Oszillationen, bevor Derek eingreift.
Ich bin völlig überrascht. Dieses brave, langsame Flugzeug
zeigt plötzlich eine andere Seite seiner Natur. Derek versichert
mir, dass bereits die dritte Oszillation in diesem Flugzeugtyp
mit einer Bodenberührung endet und somit im besten Fall die
Geldbörse des Piloten für einen neuen Propeller strapaziert.
Er ist ein ausgezeichneter Instruktor mit vielen Jahren Erfahrung
in diesem Flugzeugtyp und er erlaubt deshalb seinen Flugschülern
an die Grenzen zu gehen, ohne dass es wirklich ein Risiko in sich
birgt. Somit habe ich einmal die Gelegenheit gehabt zu erfahren,
wie eine falsche Korrektur der "wheel"- Landung durch
Versuche, mit dem Höhenruder nachzubessern verlaufen kann.
In einem Flugzeugtyp wie dem Champion ist man mit seiner Reaktion
immer um die eine notwendige Zehntelsekunde zu spät und dadurch
verstärkt man durch die inkorrekten Steuerimpulse nur die
Amplitude der Oszillationen.
Ich bin sehr glücklich darüber, dass sich in diesem
Moment ein sehr erfahrener Instruktor im zweiten Sitz befindet.
Schon bald ist mein Kniezittern vorbei und die nächste halbe
Stunde ist mit "wheel"- Landungen ausgefüllt, gezielt
verbunden mit der Technik zur Rettung von misslungenen Manövern.
Diese "Recovery"-Technik besteht aus einer Konvertierung
der misslungenen "wheel"- Landung in eine Dreipunktlandung,
soweit die Pistenlänge das erlaubt. Das geschieht durch das
dosierte Ziehen des Steuerknüppels mit einer eventuellen
Abbremsung der Sinkgeschwindigkeit durch entsprechendes und kurzes
Gasgeben.
Auf
meine Frage bezüglich "Durchstartverfahren" kommt
von ihm eine Warnung. Die Anwendung eines typischen Durchstartverfahrens
kann unter bestimmten Konfigurationen aus Geschwindigkeit, Anstellwinkel
und Motorleistung bei manchen leichten und untermotorisierten
Taildraggern wie dem Champ durch den Luftströmungsabriss
gefährlich sein. Daher heißt es immer auf der Hut bleiben
und solange genug Landebahn vorhanden ist, in eine "normale"
Landung konvertieren.
Am Ende des Übungstages gelingen mir die "wheel"-
Landungen schon fast jedes Mal, obwohl sie meiner Meinung nach
vor allem auf einer harten Fläche wie Asphalt schwieriger
sind als im Gras. Was aber in diesem Moment noch wichtiger ist,
ich habe meine Rettungstechnik "Recovery" perfektioniert
und somit endet jede Landung sehr gut - so oder so.
Diese Technik ermöglicht mir, ab diesem Zeitpunkt meine Landetechniken
an diversen Flugplätzen selbständig und bereits ohne
Instruktor auf dem Rücksitz zu perfektionieren.
Finale
grande
Die zwei letzten
gemeinsamen Tage verbringen wir mit Landungen an diversen Flugplätzen
in der Gegend, über deren Mangel ich mich nicht beklagen
kann. Es gibt nämlich ca. 30 Flugplätze im Umkreis von
50 nautischen Meilen von "Falcon Field".
Wir nutzen das, um noch Landungen mit und ohne Gas zu trainieren,
sowie um an den für die amerikanische Ausbildung typischen
Techniken "short field landing" und "soft field
landing" zu arbeiten. Zum Abschluss gibt es noch einen Flug
zur Mittagszeit im windigen Wetter. Nach den letzten Landungen,
wieder mit einem sehr starken Seitenwind, steige ich verschwitzt,
aber mit großer Zufriedenheit und Zuversicht aus dem Flugzeug
aus.
Als nächstes kommen die Gratulationen meines Instruktors
und der entsprechende Eintrag in mein Logbuch. Ich bin also verloren!
Auch ich wurde mit dem Bazzillus der Taildragger infiziert!
Wieder zurück in Österreich, setze ich mich sogleich
ins Cockpit unseres Lieblings "Bellanca Citabria" und
der Spaß geht weiter. Auf jeden Fall habe ich den Eindruck,
dass ich nach diesem Training ein sicherer und genauerer Pilot
geworden bin. Die Möglichkeit zu haben, Spornradflugzeuge
sicher zu fliegen... ich mache es kurz: es ist der Himmel auf
Erden!